yogin22

yogin22 ist ein erzählerisches Kunstprojekt
von Michael Dengler aus Ingolstadt.


„So erinnere ich mich an die frühe Zeit meiner Jugend,
als mich die ersten Wellen der schamanischen Krankheit ereilten
und ich in zahlreichen Fieberträumen darniederlag.
Es schien als öffneten sich langsam einzelne Chakren,
mit der zarten Gewalt einer Blume, die den Asphalt durchbricht!
...und Raum und Zeit hatten für mich keine Bedeutung mehr!“

„In meinen Visionen begann ich,
durch archaische Welten zu reisen,
am nächtlichen Feuer mit alten Freunden zu sitzen,
in himmlischen Höhen die ewige Geliebte wieder zu finden,
in nebligen Wäldern meinen Meister zu treffen,
und in staubigen Höhlen meinen Ängsten zu begegnen.
All das führte mich immer weiter meiner wahren Bestimmung
und der einen Wahrheit entgegen!“

ISHVARA - DAS GÖTTLICHE WESEN

[...und der moderne Yoga]

Am Ende des Tages eilten Twotwo und Ahimsara voraus, um einen Rastplatz für die Nacht klar zu machen und sich hier später mit den anderen Gefährten zu treffen. Auf einer felsigen Anhöhe bot sich ihnen ein wunderschöner Blick, welcher sich über das Grün der Wälder ins angrenzende Tal erstreckte. Eine helle freie Fläche glänzte zwischen den Bäumen, etwas tiefer in der Sonne. Sie war sandig und war mit megalithischen Steinen bestück. Vermutlich eine verlassene Kultstätte aus noch viel älteren Tagen. Twotwo nahm seine geliebte Begleiterin freudig in die Arme und beide blickten in den frühen, schon leicht rötlich gefärbten Abendhimmel.

Als sie gerade anfangen wollten ihre Vorräte zu sortieren, hallte ein donnerähnliches Geräusch durch das Tal das die Erde leicht vibrieren ließ. Ahimsara drückte sich erneut an Twotwo ran und und fragte:“Was ist das?“. „Wir warten ab!“, erwiderte Twotwo. Eine herankommende Schneise durch den Wald wurde erkennbar, Baumwipfel zerbrachen und mit einem krachenden Geräusch der letzten beiden Eichenbäume kam ein übergroßes, menschenähnliches Wesen auf dem hellen Platz zum Vorschein.

Unsere Helden mussten ihre Augen schließen, so ein grelles Licht ging von diesem Wesen aus. Es hatte die Größe einer Giraffe, war jedoch eine gefühlte Mischung als hätten sich die schönsten Wesen der Schöpfung, letztendlich in der Gestalt eines Menschen vereint. Das Wesen hatte eine so schöne und perfekte Körperform, wie es beide noch nie in ihrem Leben vorher gesehen hatten. Seine gediegene Sanftmut erfüllte das ganze Umfeld, eine selige Heiligkeit und ein tiefer Friede erfasse die Herzen von Twotwo und Ahimsara. Ein leuchtendes Strahlen floß wie in kleinen energetischen Bahnen von seinem Brustbereich aus zu den Körperenden. Dieses Leuchten schimmerte in tausend Farben durch die bläulich transparente Haut. Unsere Beiden hatten in ihren Abenteuern bereits viel gesehen, standen bei diesem Erlebnis jedoch sprachlos nebeneinander.

Und dennoch fühlte sich dieses Geschöpf ungewöhnlich gehetzt. Der Grund dafür ließ nicht lange auf sich warten. Mit lautem Geschrei stürmte eine große Horde Menschen auf den freien Platz die sichtlich versuchten mit ihren Waffen, das göttliche Geschöpf zu attackieren. Sie hatten es anscheinend seit längerem verfolgt. Dieses jedoch werte sich nicht wirklich. Nur ein kurzes Verstecken und die Flucht schien im gut, um der Situation weiter zu entgehen. Doch alle Fluchtwege waren schnell abgeschnitten und man konnte erkennen wie einige von den Primitiven die edle Gestalt doch langsam zu Fall brachten.

Eine erste Träne rollte über Ahimsaras Wange. „Was sind das nur für Menschen!“, wollen wir nicht eingreifen. „Der Platz ist zu weit weg, wir hätten auch keine Chance gegen diese Überzahl an aufgebrachten Irren. Aber warte, es wird sich anders ergeben !“, sprach Twotwo mit zurückhaltender Stimme.

Das Wesen war nun sichtlich verletzt, und der farbige Saft des Lebens quoll bereits an einigen Stellen aus seinen Wunden. Mit jeder Wunde wurden die Farben seiner Haut pastelliger und ihre Leuchtkraft ließ weiter nach. Einer der verwilderten Kämpfer holte mit seiner Lanze zu einem kraftvollem Wurf aus. Ein tiefer Treffer ins Herz, ließ scheinbar den letzten Lebenshauch entweichen.
Der Körper war nun von den letzten blassen Farben in ein helles Grau gewechselt. Gierig begannen sofort alle das leblose Wesen zu zerrupfen. Jeder war bemüht  sich das schönste Teil heraus zu schneiden. Manche wussten gar nicht was sie schlussendlich damit anfangen sollten. Doch jeder versuchte sich ein gewinnbringendes Stück des edlen Wesens zu sichern. Die wenigsten bemerkten in ihrer Gier, dass die abgetrennten Teile in ihrer Hand zunehmend dunkler wurden, bis auch der Rest des Geschöpfes schließlich in tiefen Schwarztönen leblos zurückblieb. Singend voller Übermut und mit grauschwarzen Einzel-Trophäen zog der jagende Mob aus Unwissenden weiter vom Feld und verschwand im Wald.

Von Mitleid tief getroffen konnte sich Ahimsara kaum beruhigen und weinte bitterlich. Twotwo war gefasster, hatte sich aber ebenso kritisch nachdenklich auf einen kleinen Fels gesetzt. Im Allgemeinen blieb er aber gelassen und erzählte das Erlebnis den anderen Freunden, die eben zu ihnen gestoßen waren. Kopfschütteln und Unverständnis ging gerade durch die Reihen als Coelestin aufgelöst in eine Richtung staunte. "Seht doch!", rief in diesem Moment auch Juvenal und Amitaya. Er deutete und alle blickten auf den toten schwarzen Rumpf des einstmals göttlichen Geschöpfes.

Ein Pulsieren begann mit einem weiß-gelblichen Leuchten in dessen Körpermitte. Der Atem war im Brustbereich wieder sichtbar und im Kopfbereich spürbar wieder zu hören. Die Stich- und Schnittwunden schlossen sich mit unglaublicher Schnelle. Ein Auge öffnete sich, dann das andere. Die Farben begannen in die Bahnen unter der Haut des Wesens zurückzukehren. Mit einem kraftvollen Ruck sprang es auf, nicht weniger schön als es am Anfang aus dem Wald gekommen war. Ein lautes und schallendes Lachen klang aus seiner Brust. Es hatte sich selbst geheilt und verließ mit überströmender Heiterkeit im Gesicht die helle heilige Stätte mit strammen Schritten.

„Was war dass denn?“, fragte Ahimsara mit staunendem Blick auf Twotwo gerichtet. Sie wischte sich die letzte fast schon vertrocknete Träne vom Gesicht und wusste selbst nicht mehr ob sie dies aus Traurigkeit oder jetzt aus Freude vergossen hatte. Ihr Lächeln kam langsam zurück.

Twotwo antwortete, gelassen:
“Das war Ishvara.
Das war der ganze Kosmos in einer Gestalt.
Es war Allvater und Allmutter in einem Geschöpf.
Nenne es eine Darstellung von Purusha in Prakriti.
Nenne es Shiva und Shakti.
Oder nenne es Gott. Oder das All.
Es ist einerlei.“

"Sie kommen seit jeher von Zeit zu Zeit in die Welt und treiben mit den Menschen ihr Spiel. Sie geben sich als Avatare selbst dem Menschen hin um ihnen zu helfen aber auch um diese zu prüfen. Sie prüfen uns, ob wir reif sind das Göttliche zu erkennen und seine Lehre zu erfassen. Viele die sich an dieser Schönheit nicht satt sehen können wollen selbst sein wie dieses Wesen. Doch kennen sie nicht den offenbarenden, sakralen Weg oder haben keine Geduld dafür. Sie können die Ganzheit nicht erfassen und stürzen sich auf seine einzelnen Teile. Sie versuchen diese in weitere Teile zu zerlegen um schneller an den Kern heran zu kommen. Schnell mischen sie oft ihre Machtgedanken mit der Wahrheitslehre und rechtfertigen dies mit der Annahme alles sei göttlich oder von Gott gemacht. Damit rechtfertigen sie nahezu all ihre Taten. Leider verfallen jene nicht selten dem Wahnsinn. Meinen in ihren Teilbereichen selbst Gott zu sein und ziehen die Chance Vieler einen transzendenten Fortschritt zu machen in den Abgrund. Wir unterliegen der Illusion, dass diese Eigenschaften auf uns übergehen, wenn wir uns anmaßen Teile davon zu erbeuten. Dass wir ebenso schön und kraftvoll wie dieses Wesen sein möchten, ist jedoch verständlich und keine Sünde!" 

Amitaya fragte: „Was sollten wir dann tun um dieser göttlichen Gestalt gerecht zu werden oder mit ihr gleich oder eins zu sein?“

Twotwo nam die Haltung des Weisen ein,
stand wieder auf und stützte sich mit seinen beiden Händen auf seinen Speer, der mittig vor ihm stand:
„Beobachte das Leben, sei mit Freude tätig
und bleibe auf der ganzheitlichen Seite.
Suche Dir eine alte Tradition,
vielleicht einen Menschen oder Meister der den Weg der Lehre
weit vor dir schon gegangen ist
und dich in einem sinnvollen und anwendbaren Weltbild unterrichtet.
Suche nach deiner ewigen Gefährtin.
Mache jeden Tag deine praktischen Übungen.
Folge nicht gänzlich dem Zeitgeist und halte dich daran ständig geistig zu wachsen!“

"Aber das letzte Wort deiner Frage, Amitaya, ist die eigentliche Antwort.
Du musst nur SEIN. Du darfst nur SEIN, darfst DU SELBST SEIN, darfst EINS SEIN. Lege alle deine färbenden und filternden Hüllen ab.
Befreie dich von den Verwurzelungen, deinen Ängsten, Zwängen und Getriebenheiten.
„Suche das einfache Leben, frei von allen Befangenheit deines Ichs.
Lege die innerste Schicht deines Wesens frei und weile im SOSEIN deines Daseins.
Das bringt deine eigentlichen Farben zum leuchten und erfüllt,
durch deine bloße Anwesenheit, deine Welt und seine Geschöpfe
mit der allumfassenden SEIN-GEIST-SELIGKEIT des Alls!"

MICHAEL DENGLER
Ingolstadt © 2021


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